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An einer stürmischen Küste lag ein kleines Fischerdorf, dessen Bewohner seit Generationen vom Meer lebten. Eines Nachts braute sich ein gewaltiger Sturm zusammen, mächtiger und wilder als alles, was die Menschen dort je erlebt hatten. Die Wellen schlugen unbarmherzig gegen die Klippen, und der Wind heulte wie ein bösartiges Tier. Draußen auf dem offenen Meer kämpften die Fischer in ihren kleinen Booten ums Überleben, mit kaum einer Chance, den Hafen unversehrt zu erreichen.

 

Inmitten dieser tobenden Nacht saß eine Handvoll Dorfbewohner in der kleinen Hafenhütte. Es waren Fischer, Händler, Frauen und Männer, jung und alt – Menschen, die im Alltag eng miteinander verbunden waren. Doch der Sturm schien mehr zu zerreißen als nur Netze und Segel: Unterschiedliche Meinungen, Vorwürfe und Ängste begannen, die Gemeinschaft zu spalten. Über allem hing die quälende Frage: Werden die Boote es schaffen, sicher zurückzukehren?

 

Die Diskussionen begannen leise, wurden aber schnell lauter. „Warum haben sie überhaupt bei so einer Wettervorhersage ausgelegt?“, schimpfte ein alter Händler. „Weil sie für Leute wie dich Fisch fangen müssen!“, erwiderte ein Fischer wütend. „Hätte jemand die Netze gestern richtig repariert, wären sie gar nicht so lange draußen geblieben!“, warf ein Junge ein, der als Lehrling auf einem der Schiffe arbeitete.

 

Die Stimmen überschlugen sich. Jeder suchte einen Schuldigen – irgendjemanden, den er für den Sturm, die Boote, die Angst verantwortlich machen konnte.

 

Plötzlich erhob sich die älteste Frau im Dorf, Großmutter Mira, die bisher still am Feuer gesessen hatte. Ihr Blick war ruhig, aber scharf wie ein Fischmesser. „Hört auf damit!“, sagte sie in einem festen Ton.

 

Die Dorfbewohner schauten sie überrascht an. Mira ging zur kleinen Fensterluke und öffnete sie, trotz des heulenden Sturms. Sie zeigte zum Himmel, wo zwischen den Wolken ein paar Sterne zu sehen waren. „Seht ihr das? Die Fixsterne“, sagte sie und deutete nach oben. „Schon seit der Antike nutzen Fischer und Seefahrer die Sterne zur Orientierung. Unser Nordstern, Polaris, steht immer über dem Nordpol und weist den Weg nach Norden. Sirius ist der hellste Stern am Nachthimmel. Und dort oben seht ihr Altair, Wega und Deneb – sie bilden das Sommerdreieck, das in klaren Nächten gut zu erkennen ist und schon immer als zuverlässiger Wegweiser diente. Wenn die Fischer draußen auf dem Meer sind und die Wellen sie hin und her werfen, schauen sie nicht auf die Wellen. Sie schauen zu den Sternen. Die Sterne bewegen sich nicht, sie streiten nicht, sie sind einfach da und zeigen uns, wo es langgeht.

 

Die Dorfbewohner sahen sie schweigend an. „Ihr könnt hier drinnen sitzen und streiten wie die Wellen, oder ihr könnt euch auf das besinnen, was wirklich wichtig ist: dass wir die Boote nach Hause bringen. Also, wer von euch hat einen Vorschlag, der hilft?“

 

Ein junger Mann, der bisher geschwiegen hatte, meldete sich zögernd. „Die Leuchtfeuer, wenn wir mehr Holz sammeln, könnten wir sie heller machen, damit die Boote uns sehen.“

 

Eine Frau nickte. „Und wir könnten Fackeln am Steg anzünden.“

 

Ein anderer fügte hinzu: „Die Glocken in der Kirche! Wenn wir sie läuten, hören die Boote vielleicht, wo der Hafen ist.“

 

Plötzlich hatten sie eine Aufgabe. Niemand hatte mehr Zeit für Schuldzuweisungen. Es ging jetzt darum, das zu tun, was getan werden konnte. Gemeinsam schleppten sie Holz, zündeten Fackeln an, läuteten die Glocken. Und als der Sturm sich legte und die Boote tatsächlich eines nach dem anderen im Hafen eintrafen, sahen sie einander mit anderen Augen an.

 

Mira lächelte still. Sie wusste, dass der Sturm auf dem Meer nicht das Einzige war, das in dieser Nacht besänftigt worden war.

 

Die Botschaft der Geschichte

In Konflikten sind wir oft wie die Dorfbewohner am Anfang: Wir reagieren wie Wellen, die nur aufeinanderprallen und mehr Chaos stiften. Aber wenn wir uns auf unsere Fixsterne konzentrieren, auf gemeinsame Ziele, gemeinsame Werte oder einfach den Wunsch, etwas zu lösen, können wir die Energie des Konflikts nutzen, um etwas zu bewegen. Wie oft schauen wir im Streit auf die Wellen statt auf die Fixsterne? Und wie oft verpassen wir dadurch die Chance, wirklich etwas zu verändern?

 

Ivano Fragnoli ( Oktober 2022 )